Gestern hat Quark die neue Version QuarkXPress 2018 veröffentlich. Nachdem Quark als früherer Platzhirsch ins Hintertreffen geraten ist und InDesign sukzessiv den Markt erobert hat, wird inzwischen jedes Jahr eine neue Version veröffentlicht und diese bringen immer eine Fülle an neuen Funktionen – als InDesign-Nutzer ist man das in dem Maß gar nicht gewohnt. Wie also schlägt sich QuarkXPress 2018 denn gegen ein aktuelles InDesign? Ich möchte einen Blick darauf werfen, ob die neue Version als Alternative für mich in Frage kommen würde. Dabei geht es also eher um technische Belange, weniger um gestalterische.
Ein kleiner, aber vielleicht wichtiger, Hinweis gleich vorab: es handelt sich um keinen bezahlten Inhalt oder gar Werbung, ich gebe hier meine persönliche Meinung wieder.
Was gibt es denn Neues?
QuarkXPress selber listet 18 Neuerungen oder starke Verbesserung auf. Eine Übersicht dazu gibt es auf der Seite http://www.quark.com/de/Products/QuarkXPress/, die vollständige Liste der Funktionen findet man unter http://www.quark.com/de/Products/QuarkXPress/Full-Feature-List/. Wer es lieber als Video mag, der wird fündig unter https://www.youtube.com/watch?v=Z5olohxEasg. Bei der folgenden Betrachtung aus Sicht eines InDesign Nutzers schau ich mir dabei nur ein paar ausgewählte Bereiche an.
Interessant finde ich übrigens, nach welchen Kriterien QuarkXPress neue Funktionen einbaut. Denn hier geht es fast ausschließlich nach den Wünschen der Nutzer (Siehe https://www.facebook.com/groups/quarkxpress/). Das mag der Grund sein, warum das InDesign Team seit letztem Jahr mit dem Angebot https://indesign.uservoice.com einen ähnlichen Weg geht (inzwischen mit über 1.000 Wünschen nach neuen Funktionen und fast 1.000 Fehlermeldungen).
Automation durch Scripting
Einer der großen Vorteile für mich beim Arbeiten mit InDesign war immer die Möglichkeit, bestimmte Arbeitsschritte mit Hilfe von Skripten automatisieren zu können. Davon mache ich reichlich Gebrauch und spare so unheimlich viel Zeit. Derartiges gab es bis dato nicht wirklich in QuarkXPress, was nun korrigiert wurde. Für die technisch interessierten: es handelt sich dabei um Skripte auf Basis von JavaScript V8.
Auch wenn ich es noch nicht ausführlich getestet habe, die Beispiele die Quark selber erstellt hat, sehen sehr vielversprechend aus.
HTML5 Export
Seit einigen Jahren schaue ich neidisch auf QuarkXPress, wenn es um das Erstellen oder den Export von HTML 5 geht. InDesign hat bis heute leider nichts Vergleichbares zu bieten (außer einem „normalen“ HTML Export). Plan B für InDesign Nutzer ist die Nutzung von Erweiterungen, wie beispielsweise in5 (https://ajarproductions.com/pages/products/in5/). HTML 5 ist aber eine der Kerntechnologien für Publisher von heute und wird zukünftig sicherlich noch an Bedeutung zunehmen. Von daher liegt hier QuarkXPress um Längen vorne (und in der Version 2018 wurde nochmals nachgebessert) und stellt sich hier den Anforderungen der Praxis.
PDF Ausgabe
Aus meiner Sicht war die PDF Ausgabe lange Zeit ein Manko von QuarkXPress. Ohne jetzt auf Details einzugehen, InDesign war hier immer besser. Mit QuarkXPress 2018 wurde die PDF Technologie der Berliner Firma callas integriert, was in meinen Augen im Endergebnis an vielen Stellen einen Quantensprung darstellt. Ich habe zwar nicht alles getestet, aber es schaut vielversprechend aus.
Tagged/barrierefreies PDF
Einhergehend mit der Integration der PDF Engine von callas wurde auch die technische Basis für die Erstellung von barrierefreien PDF Dokumenten (Tagged PDF) geschaffen – QuarkXPress unterstützt nicht nativ den zugehörigen PDF Standard PDF/UA, aber die sehr ähnlichen PDF/A‑Standards (ich habe hauptsächlich mit PDF/A‑2u getestet). Damit man auch eine barrierefreies PDF ausgeben kann, wurden zusätzlich Anpassungen am Programm selbst vorgenommen. So ist es nun möglich einem Absatzformat einen PDF Tag zuzuweisen, oder die Reihenfolge der Inhalte zu definieren.
Diesem Punkt habe ich natürlich etwas ausführlicher getestet. Mein Eindruck davon ist gemischt. Die Arbeitsweise im Programm ist der in InDesign extrem ähnlich. Einige grundlegende Dinge lassen sich auf einfache Art und Weise realisieren, bei komplexeren Layouts stößt die aktuelle Implementierung jedoch an seine Grenzen. Beispielsweise wird es bei der Ausgabe nicht toleriert, wenn in einer Tabelle Zeilen oder Spalten zusammengefasst werden. Auch kann man leider keine aktiven Links ausgeben, sobald man ein PDF/A‑Dokument ausgibt (das ist zwar keine Anforderung, aber einfach nutzerfreundlich). Ich hoffe darauf, dass das Entwicklerteam diesen Bereich weiter ausbauen wird, im Optimalfall sogar PDF/UA in Zukunft unterstützen wird.
Aktuell würde ich QuarkXPress für die Erstellung von barrierefreien PDF Dokument noch nicht empfehlen, hier hat InDesign immer noch Vorteile
Das Gefühl beim Arbeiten
Wie arbeitet es sich denn mit QuarkXPress für einen InDesign Nutzer nach Jahren der Abstinenz (ich glaube nach Quark 4 habe ich auf InDesign gewechselt)? Nun ja, es ist etwas gewöhnungsbedürftig. Viele normale Arbeitsschritte sind einfach zu erledigen, an die etwas andere Aufteilung von Paletten und Werkzeugen gewöhnt man sich schnell.
Aber bei vielen Punkten ist es mir schwergefallen. Wie verankert man eigentlich einen Rahmen im Textfluss? Die Suche nach Funktionen die man in InDesign aus dem Effeff beherrscht, in QuarkXPress aber einen anderen Namen tragen oder vielleicht auch anders funktionieren, kostet viel Zeit. Auch ist mir aufgefallen, dass hinter vielen Arbeitsschritten und Werkzeugen eine andere Logik liegt. Nach Jahren der Nutzung von InDesign fällt das Reindenken in die Logik der Stilvorlagen äußerst schwer (Ein Absatzformat hat quasi immer ein Zeichenformat). Vielleicht habe ich das Prinzip einfach nur vergessen oder nie richtig verstanden, aber ich finde hier InDesign an einigen Stellen einfach wesentlich intuitiver und für einen schnellen Arbeitsablauf nützlicher.
Ich kann mich noch dunkel erinnern, dass auch der Umstieg von Quark zu InDesign für mich an einigen Stellen schwierig war. Netterweise hatten die Entwickler von InDesign ja sogar einen Preset mit den Tastaturkürzeln von QuarkXPress eingebaut, sodass der Umstieg nicht ganz so schwerfiel. Ich vermute den Weg in die andere Richtung zurückzugehen, dürfte nach ein wenig Einarbeitung aber auch ohne Probleme möglich sein.
Von InDesign zu Quark
Möchte man nun von InDesign auf QuarkXPress umsteigen, so stellt sich natürlich die extrem drängende Frage: Was mache ich mit meinen alten Daten? Das Problem hat wohl auch Quark erkannt und die Möglichkeit geschaffen, IDML Dateien (InDesign Austauschformat, meist genutzt für das Weiterarbeiten in älteren Versionen) öffnen zu können. Das funktioniert soweit ganz gut, jedoch werden nicht alle InDesign Funktionen unterstützt (sogar einige Funktionen, die Quark eigentlich beherrscht). Nicht jedes Layout kann also 1:1 mit Quark weiterverarbeitet werden.
Für Nutzer von komplexeren Dokumenten dürfte dies daher ein Ausschlusskriterium sein, die Plattform zu wechseln.
Die Preisfrage
Seit der Einführung der Creative Cloud und damit einhergehend der Miete der Adobe Software wird hitzig über die Preisfrage diskutiert. Gerade in Deutschland gibt es viele Gegner des Abo-Modelles von Adobe. Unter anderem aus diesem Grund gibt es immer noch extrem viele Nutzer von InDesign CS6, da dies die letzte Kaufversion war. So langsam gibt es aber mit dieser alten Software Probleme, da aktuelle Techniken nicht implementiert sind und moderne Betriebssysteme einen stabilen Betrieb der alten Software nicht mehr gewährleisten.
Sicherlich aus einigen dieser Gründe positioniert sich QuarkXPress genau auf der anderen Seite: Die Software gibt es nicht im Abo, sondern nur als Kaufversion. Für Umsteiger von InDesign kostet QuarkXPress 2018 gerade mal 399€ (siehe http://www.quark.com/de/Products/QuarkXPress/InDesign-Alternative/), normal 829€. Bei Adobe zahlt man 49,00€ netto im Monat.
Ich möchte jetzt keine Grundsatzdiskussionen zu den Vorteilen von Kauf- oder Mietversion anfangen, das sollte jeder mit sich selber machen. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass 50 € im Monat für das Hauptarbeitsmittel nicht viel sind, genau so, wie 400€ für eine Kaufversion. Wer sich das nicht leisten kann oder möchte, wird es auch in anderen Branchen nicht einfacher haben.
Fazit
QuarkXPress 2018 bietet sehr viele interessante Neuerungen und hat in Bezug auf den Funktionsumfang zu InDesign weiter aufgeholt. In einigen Bereichen hat es InDesign inzwischen sogar überflügelt. Für meine alltägliche Arbeit muss jedoch sagen, dass QuarkXPress 2018 noch nicht die Funktion bietet, die ich benötige. Die Lücke ist kleiner geworden, aber sie ist noch nicht geschlossen. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, so wären das vor allen Dingen die native Unterstützung von GREP und eine bessere Ausgabe von barrierefreien PDF Dokumenten.
Zum Abschluss noch ein paar Links für Personen, die sich etwas näher mit QuarkXPress 2018 beschäftigen wollen:
- Testversion: http://www.quark.com/Products/QuarkXPress/Test_Drive.aspx
- Dokumentation: http://www.quark.com/Support/Documentation/QuarkXPress/2018.aspx
- Vergleich zu InDesign: http://www.quark.com/de/Products/QuarkXPress/InDesign-Alternative/
- JavaScript Beispiele: https://github.com/qxpjs/
- QuarkXPress 2017 Schulungsvideo: https://www.video2brain.com/de/videotraining/quarkxpress-2017-grundkurs
Hallo Klaas,
danke für die Kurzbesprechung. Du hast Recht, QuarkXPress ist kein InDesign Clone oder soll/wird es auch nicht sein.
Erlaube mir bitte drei Hinweise:
1) Ein Absatzformat in QuarkXPress KANN ein Zeichenformat enthalten, MUSS es aber NICHT.
2) Einen Rahmen verankert man, indem man in ausschneidet und dann im Textfluss an der Stelle einfügt. Oder nimmt „Legenden“ (Palette).
3) JavaScript ist Version ES6+, also die Versionen 6, 7 und 8. Die JavaScript Engine, die in QuarkXPress 2018 eingebaut ist, heißt/ist V8.
Jährliche Updates von QuarkXPress kosten die letzten Jahre 185€ netto, also 15,41€ pro Monat. Man kann aber jederzeit sich dagegen entscheiden, die Software läuft „immer“ weiter. Und da Upgrades von JEDER Vorgängerversion möglich sind, kann man einfach wieder einsteigen. Und eine alternative Suite gibt es hier: http://www.planetquark.com/2017/05/18/the-non-rental-suite/
Beispiele für HTML5 Export (mit OpenType Unterstützung finden sich hier:
– https://www.sevenoakssoundandvision.co.uk/select/issue8/#issue/Issue8/landscape/1 und
– http://www.quarkforums.com/resources/2018/Ligatures
PDF/A und getaggtes PDF sehen wir als wichtig. QuarkXPress 2018 ist die erste Version, die beides kann, Einschränkungen werden wir schnell verbessern. Wir leben ja seit 2015 direkt am Puls unserer Anwender und haben in den letzten vier Versionen gezeigt, dass dies nicht nur ein Marketingstatement ist, sondern Feedback von Anwendern wirklich die Roadmap von QuarkXPress setzt.
Danke
Matthias
Hallo Matthias,
danke für dein Feedback!
Als Ergänzung:
Das mit den Absatz- und Zeichenformaten, ihn Stilen begreife ich vielleicht irgendwann wieder ;).
Das Verankern ist in Quark in der Tat auch einfach, hab ich auch rausgefunden, nur der andere Name der Funktion…
Klaas