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Die Schreibmaschine lebt! Wie wir mit unseren Inhalten umgehen.

Die Schreibmaschine war ein Meilenstein auf dem Weg zum modernen Publizieren. Sie wirft ihre Schatten bis weit in die heutige Zeit – nicht nur über das QWERTZ-​Tastaturlayout, das wir auch auf jedem Smartphone finden.

Die Art, wie wir heute schreiben, hat die Schreibmaschine auch beeinflusst – leider!

Die Möglichkeiten der Gestaltung sind beim Einsatz einer Schreibmaschine begrenzt. Weder lassen sich Schriftgröße, ‑schnitt noch ‑farbe beeinflussen, ganz im Gegensatz zu heutigen Schreib- oder Layoutprogrammen.

Die einzigen Möglichkeiten der Gestaltung stellen Versalien und Abstände zwischen Buchstaben und Zeilen, mit viel Erfahrung auch die Textausrichtung dar. Diese Funktionen werden noch immer genutzt, leider aber oft nicht so, wie es heute technisch möglich ist.

Jeder aus dem grafischen Gewerbe hat sicher schon externe Word-​Dateien bekommen und sich bei der Durchsicht die Haare gerauft – wegen folgender Dokumenteigenschaften:

  • Einrückungen oder Zentrierungen mit Hilfe von unendlich vielen Leerzeichen oder mehrfachen Tabulatoren,
  • Abstände zwischen Absätzen mit dem mehrfachen Drücken der Return Taste,
  • Seitenzahlen sind per Hand in die Ecke geschrieben,
  • am Anfang von Listen stehen Spiegelstriche oder Bulletpoints,
  • Tabellen werden durch „- – -“ oder „_​_​_​“ Zeichen und „|“ erstellt und
  • optische Hervorhebungen wurden nach Lust und Laune durch das Drücken von ein paar Farb- oder Fett-​Knöpfen eingestellt.

Dokumente mit derartigem Aussehen waren bereits im 18. Jahrhundert weitestgehend mit Schreibmaschine und Stift möglich. Man musste dazu nicht einmal ein Mailkonto konfigurieren (POP oder IMAP?), einen Druckertreiber installieren und den Papierschacht füllen, damit andere das Geschriebene lesen konnten. Da stellt sich doch die Frage, warum wir für das Erstellen von Texten dann heutzutage überhaupt einen Computer verwenden? Damit der Schreibtisch nicht so leer ist, weil Monitore auch Designobjekte sein können, oder weil der Startton des Rechners uns endgültig aus dem Schlaf holt?

Berechtigte Fragen, glaube ich, denn Word & Co. können es doch viel besser als die gute alte Schreibmaschine, ob elektrisch oder nicht. Für Listen gibt es eine Listenfunktion. Dasselbe gilt für Tabellen. Das Zentrieren von Text kann man für einen ganzen Absatz definieren, ebenso den Abstand zum folgenden Absatz. Und Seitenzahlen werden vom Programm automatisch erstellt. Nutzt man zusätzlich noch Formatvorlagen, freuen sich alle, die solche Text verarbeiten müssen. Und hier ist es für Autoren wichtig zu wissen: Die Verarbeitung machen heute nicht mehr nur Menschen, sondern auch Computer (u.a. in Form von Suchmaschinen). Das Zauberwort heißt hier Semantik.

Warum man korrekt mit Formaten & Auszeichnungen arbeiten sollte

An zwei Beispielen möchte ich kurz deutlich machen, warum es sinnvoll ist, sauber mit den Programmfunktionen, insbesondere Formaten und Auszeichnungen, zu arbeiten.

1.) Automatische, fehlerreduzierte Verarbeitung – Inhalts- und Abbildungsverzeichnisse, Index & Co.

Eine recht einfache und für jeden Autor auch am eigenen Leib spürbare Erleichterung beim Arbeiten mit Formaten ist das automatische Erstellen von Verzeichnissen. Sofern man seine Überschriften mit eindeutigen Absatzformaten versieht, lässt sich über diese Zuordnung automatisch ein Inhaltsverzeichnis erstellen. In Computersprache bedeutet dies: Geh mal durch das Dokument, finde alles, was das Format MeineÜberschrift verwendet, schaue auf welcher Seite es steht und alle Einträge, die du dabei findest, schreibst du bitte auf Seite 3. Wenn sich durch Textänderungen Überschriften verschieben, kann man die Anpassung automatisch oder mit einem Klick durchführen.

Zum bessern Verständnis ein Screenshot von der Inhaltsverzeichniserstellung von Adobe InDesign:

Bildschirmfoto Adobe InDesign Erstellung von Inhaltsverzeichnissen

2.) Maschinenlesbarkeit und Barrierefreiheit

Die Macht über die Bekanntheit und Auffindbarkeit von Inhalten haben Suchmaschinen und damit Computer. Was dabei genau berücksichtigt wird, ist im Details nicht bekannt, aber Google & Co. lesen definitiv nicht alle Inhalte von A–Z und erstellen auf weise Art eine Kurzzusammenfassung. Vielmehr werden wichtige Elemente, insbesondere Überschriften, als relevant für die Suche berücksichtigt und aus Sicht der Barrierefreiheit als spezielle Element markiert.

Wenn man sich Überschriften auf etwas abstrakter Weise nähert, erfährt man scheinbar Banales, aber auf den zweiten Blick sehr Interessantes:

  • Sie unterscheiden sich optisch vom restlichen Text, meist sind sie größer und fetter,
  • oft sind sie durchnummeriert,
  • inhaltlich sind sie meist eine Art kurze Zusammenfassung von folgenden Abschnitten,
  • sie finden sich im Inhaltsverzeichnis wieder.

Das Wissen um diese Eigenschaften macht es für uns möglich, eine Überschrift als solche zu identifizieren. Für Sehbehinderte oder Computer (in diesem Fall erkennt man sehr gut die Analogie) reicht das nicht aus.

Für ein besseres Verständnis, was genau Maschinenlesbarkeit heißt, hier ein kleines Beispiel anhand zweier identisch aussehender HTML-​Überschriften (für Word gilt aber de facto das selbe):

A: Meine unformatierte Überschrift

B: Meine formatierte Überschrift

Beide Überschriften sehen in der Standardbrowseransicht gleich aus, sie sind es aber nicht. Überschrift A wurde einfach nur optisch formatiert, indem Schriftgröße, ‑farbe und ‑art angepasst wurden. Die Überschrift B ist über den HTML Tag <h3> inhaltlich definiert, die Formatierung ist für diese Webseite entsprechend im CSS einstellt. Erkennen kann man den Unterscheid zum einen im Quellcode (siehe unten) oder wenn man das Webseiten CSS deaktiviert (was sehr viele Sehbehinderte machen).

Hier die Quellcodeansicht:

<span style="color:#3f3f3f; font-weight:bold; font-family:Lato; font-size:1.25rem;">A: Meine unformatierte Überschrift</span>
<h3>B: Meine formatierte Überschrift</h3>

Woher kommt die schlechte Textqualität?

Warum sind nun viele Daten von so schlechter Qualität? Man könnte annehmen, die ältere Generation kam erst spät in Berührung mit Computern und digitaler Textverarbeitung und hat nicht mehr gelernt, damit korrekt umzugehen. In der nächsten Generation wird alles besser? Das spiegelt nicht meine Erfahrung wieder, denn auch von „jungen“ Leuten, teilweise gar vom Fach, sehe ich oft recht „wilde“ Dokumente.

Wie ich in verschiedensten Zusammenhängen erlebt und gehört habe, wird das saubere Arbeiten mit Texten, in Form von gut verwendeter Textbearbeitung, an vielen Stellen schlicht und einfach gar nicht erst gelehrt und damit auch nicht gelernt und erst recht nicht wertgeschätzt. Auf der anderen Seite wird es auch nicht gefordert. Stellenausschreibungen verlangen eher, dass man Profi in Word, Excel, InDesign, Illustrator, Photoshop uvm. ist, anstatt ein gesundes Verständnis von Strukturen und technischem Hintergrundwissen zu haben und damit ableiten zu können, wie man die Software auch bedient. Bezogen auf die Ausbildung von Designern und allen, die mit Texten hantieren, besteht in diesem Bereich in meinen Augen dringender Nachholbedarf. Was hilft ein toll gelehrtes grafisches Auge und den 3. Menüpunkt in InDesign herbeten zu können, wenn Texten die digitale Bedeutung genommen wird und digital und crossmedial für die Mülltonne ist? Die Zeiten in denen Texte für jeden Kanal (Webseiten, Print, E‑Books, Apps, …) per Hand angepasst werden, sind vorbei, aber das geht nur, wenn Formate Textstellen unterscheidbar machen. Es ist einfach eine Tatsache: Onewaypublishing stirbt aus!

Die Zukunft

Ich hoffe, das wichtige Thema „sauberes Texteschreiben unter semantischen Gesichtspunkten“ wird mehr in den Fokus rücken. Mindestens in den Bereichen, wo es täglich gebraucht wird. Hier und da kann man Fortschritte erkennen, auch wenn es keine Revolution, eher eine Evolution zu sein scheint. Evolution bedeutet auch, dass ein paar auf der Strecke bleiben, nämlich die, die nicht umlernen wollen und damit den crossmedialen Anforderungen produktiv nicht gewachsen sind.

Inhaltsproduzenten, egal ob sie sich nun „Contentgenerator“ oder „Autor“ nennen, werden als erstes Glied in der Publikationskette besonders stark betroffen sein. Es macht einfach einen Unterschied, ob ein Verlag in der Lage ist, aus einem Text in fünf Minuten oder fünf Tagen eine Druckvorlage plus E‑Book plus App bauen zu können. Das Honorar wird nicht für immer und ewig davon unabhängig das Gleiche sein.

Also liebe Leute: Übt das Schreiben, auch wenn die erste Klasse schon weit hinter euch liegt!

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